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Sunday, October 12, 2008

Mode im Zeitalter ihrer digitalen...

Bild 16credit: viktor&rolf

Die Süddeutsche Zeitung brilliert trotz weniger guter Köpfe nicht unbedingt regelmäßig mit fundiertem Modejournalismus. Besonders der Onlineauftritt der Münchner Publikation lässt bisweilen in punkto Modeberichterstattung deutlich zu Wünschen übrig. Die Rosinen der Unmöglichkeit (z.B. Der Meister und die Models, verdient kritisiert hier) werden hin und wieder von den Damen beim Modepiloten ausgegraben und vorgestellt.

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Bild 15credit: viktor&rolf

An diesem grauen Sonntag aber entdeckte ich im Onlinebeitrag von Johannes Thumfart (der im Übrigen gelegentlich auch für hint schreibt!) ein wenig Sonnenschein, der dort unter dem Titel Abmarsch den langsam schwindenden Zauber der Prêt-à-Porter-Schauen im Zeitalter des Internets untersucht. Für den enthusiastischen Modeblogger bringt Thumfart dort einmal mehr auf den Punkt, was in Kreisen der pickeligen Nerds (!) schön längst Gewissheit ist - alles ändert sich und das Internet ist schuld.
Ganz anders als Kathrin Bierling (aka modejouarnalistin) lese ich allerdings keinen kritischen Unterton heraus, sondern verstehe den Beitrag vielmehr als (objektive) Darlegung von Tatsachen. So ist nicht neu, dass in Modeblogs häufig eine vollkommen andere Art von Modejournalismus praktiziert (wird) als in den großen Magazinen und dass es anstatt um Werbeeinnahmen (...) um Enthusiasmus und um das soziale Kapital in der Szene geht. Eine genauere Erläuterung dazu, was Thumfart aber unter journalistischen Kriterien versteht - die die meisten der Modeblogs nicht erfüllten ("was wohl auch der Tatsache geschuldet ist, dass all dies für vergleichsweise wenig Honorar geschieht" - sorry, das verstehe ich nicht!) - , bleibt er dem Leser schuldig.

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Bild 18credit: viktor&rolf

Aber genau dort liegt - so finde ich - des Pudels Kern. Auf der anderen Seite bliebe nämlich zu untersuchen, ob denn der herrschende klassische Modejournalismus überhaupt ebensolche, journalistischen Kriterien erfüllt. Meine Frage mag gewagt sein, in einer Zeit, da sich kritisch äußernde Journalisten bestenfalls zur nächsten Show nicht mehr eingeladen werden (s. Cathy Horyn) und im ärgsten Fall Ärger mit dem Anzeigenkunden bekommen oder gar vom Verlag gekündigt werden (ein solcher Fall ist mir bisher nicht bekannt).
Eine stundenlange Hin- und Herdiskussion würde vermutlich in die Frage münden, ob die Modeindustrie überhaupt eine Kritik wünscht. So sind Blogger sicher für jüngere, unabhängige Label eine willkommene günstige Werbefläche - so schreibt ja auch Herr Thumfart -, die Frage aber, ob ein großer Konzern an einem kritisierenden Verriss seiner Kollektionen durch unabhängige Sprachrohre, die nachweislich zunehmend von potentiellen Kunden Gehör finden, interessiert ist, ist offensichtlich zu verneinen. Kann der Konzern dem Verlag mit Werberückzug drohen, steht er dem Blogger mit leeren Händen gegenüber.
Diane Pernet nennt die Konsequenz eine Demokratisierung der Mode, ich spreche in diesem Zusammenhang gern vom Einzug der Modejournalistenpunks, die Thumfart sehr treffend als Dosenbier trinkende extrem Networker beschreibt, die immer jemanden kennen, der ihnen eine Eintrittskarte zu begehrten Shows besorgen kann.

Bild 20credit: viktor&rolf

Aber was genau bedeutet das alles eigentlich? Wie bitteschön sieht eine demokratische Mode aus, zu der jeder frei sagen darf was er denkt und deren Tragbarkeit auch offen angezweifelt werden darf? Mir persönlich verursacht der Gedanke daran - so hoffe ich nicht nur mir - eine dicke Gänsehaut! Hebeln Modeblogger letztlich das aus den Angeln, was die Mode im Grunde ausmacht? Individualität, Kreativität, Exklusivität, das ewig Neue und Andere? Oder wird gerade das begünstigt durch ungeniertes Eindringen in ein System, in dem Blogger nicht immer gerne gesehen sind? Wenn die Demokratisierung der Mode durch Blogger weiterhin so Auswüchse wie Andrea Crews gebiert, schreibe ich gerne weiter...

Viktor&Rolf präsentierten ihre Spring/Summer 2009 Kollektion allein online auf einem virtuellen Laufsteg, für jeden gleichzeitig und von überall aus zu sehen. Die hier gezeigten Bilder sind Stills aus dem Videostream. Ich denke nicht, dass das Internet langfristig Modenschauen überflüssig machen wird. Zu groß das Spektakel (!), zu eigenbrödlerisch das Internet. Eine Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist durch das Designduo repräsentiert es allemal. Das ganze V&R Video gibt es im Übrigen hier zu sehen.

Abmarsch
Langsam schwindet der Zauber der Prêt-à-Porter-Schauen. Über das Defilee im Zeitalter des Internets.
Von Johannes Thumfart auf sueddeutsche.de, 11.10.2008

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